Der Spaziergang (Bibliothek Suhrkamp).pdf

(1109 KB) Pobierz
Robert Walser
Der Spaziergang
Suhrkamp Verlag
Der Text folgt der Ausgabe
Robert Walser, Das Gesamtwerk, Werkausgabe
edition suhrkamp, Band 3 (Seeland)
Erste Auflage 1978
Alle Rechte vorbehalten
Mit Genehmigung der Inhaberin der Rechte,
der Carl Seelig-Stiftung, Zürich
© dieser Ausgabe Suhrkamp Verlag, Zürich 1978
Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
Printed in Germany
Robert Walsers
Spaziergang,
als Einzelausgabe
erstmals 1917 erschienen, wird als einer der
schönsten Prosatexte dieses Jahrhunderts gerühmt.
Der Erzähler bewegt sich durch die Welt,
schauend,
sprechend,
träumend,
kaum
angekommen, nimmt er schon wieder Abschied, er
wandert durch die Stadt, betrachtet die Auslagen
der Geschäfte und spricht mit den Menschen, die
ihm begegnen. Glück und Wehmut des Betrachters
stellen sich ein bei diesem Außenseiter, der
unermüdlich seine Wege geht und seinem Leser
aufgibt, mit ihm die Richtung zu finden.
Eines Vormittags, da mich die Lust, einen Spaziergang zu
machen, ankam, setzte ich den Hut auf den Kopf, lief aus dem
Schreib- oder Geisterzimmer weg und die Treppe hinunter, um
auf die Straße zu eilen. Im Treppenhaus begegnete mir eine
Frau, die wie eine Spanierin, Peruanerin oder Kreolin aussah
und etwelche bleiche, welke Majestät zur Schau trug. Soviel
ich mich erinnere, befand ich mich, als ich auf die offene, helle
Straße trat, in romantisch-abenteuerlicher Gemütsverfassung,
die mich beglückte. Die Morgenwelt, die sich vor mir
ausbreitete, erschien mir so schön, als sehe ich sie zum
erstenmal. Alles, was ich erblickte, machte mir den
angenehmen Eindruck der Freundlichkeit, Güte und Jugend.
Rasch vergaß ich, daß ich oben in meiner Stube soeben noch
düster über ein leeres Blatt Papier hingebrütet hatte. Trauer,
Schmerz und alle schweren Gedanken waren wie
verschwunden, obschon ich einen gewissen Ernst noch vor und
hinter mir lebhaft spürte. Freudig war ich auf alles gespannt,
was mir etwa begegnen oder entgegentreten könnte. Meine
Schritte waren gemessen und ruhig. Indem ich meines Weges
ging, ließ ich, so viel ich weiß, ziemlich viel würdevolles
Wesen sehen. Meine Empfindungen liebe ich vor den Augen
der Mitmenschen zu verbergen, ohne mich deswegen ängstlich
zu bemühen, was ich für einen Fehler halten würde.
Noch nicht zwanzig Schritte weit war ich über einen breiten,
menschenbelebten Platz gegangen, als mir Herr Professor
Meili, eine Kapazität ersten Ranges, leicht begegnete.
Wie die unumstürzliche Autorität schritt Herr Meili ernst,
feierlich, hoheitsvoll daher. In der Hand trug er einen
unbeugsamen, wissenschaftlichen Spazierstock, der mir
Grauen, Ehrfurcht und Respekt einflößte. Meilis Nase war eine
scharfe, gebieterische, strenge, harte Habichts- oder Adlernase.
Der Mund war juristisch zugeklemmt und zugekniffen. Des
Zgłoś jeśli naruszono regulamin